Heute werde ich euch:
- Auf den Meeting-Wahnsinn aufmerksam machen, den viele von uns derzeit durchleben.
- Auf einen Artikel verweisen, der die psychologischen Hintergründe für den Meeting-Wahnsinn erörtert.
- Einen Ausweg anbieten, um von einigen Meetings los zu kommen.
Das Problem
Viele unserer Kalender lassen sich nicht von Containerschiffen unterscheiden, so voll wie sie gepackt sind, und wären geeignet für ein Capture auf eine Webseite, wie es Thomas Dugaro so schön beschrieben hat:
Was passiert nun, wenn unsere Kalender so gefüllt sind? Meine Erfahrung zeigt folgendes: Je voller der Kalender ist, desto mehr Meetings werden organisiert. Ein Termin zur Klärung hier, ein Termin zur Erarbeitung dort. Zusätzlich noch ein Termin für einen gemeinsamen Kaffee, da wir uns zwischen den ganzen Terminen ja nicht zufällig treffen werden. Es handelt sich also um einen Teufelskreis, aus dem wir ausbrechen sollten.
Was steckt hinter dem Meeting-Wahnsinn?
Vor einigen Wochen postete ich etwas dazu auf Twitter und Lena Hoffmann machte mich auf einen HBR Artikel aufmerksam, der die psychologischen Hintergründe für den Meeting-Wahnsinn erörtert:
Hier werden 5 Gründe gezeigt, warum wir dazu neigen an viele Meetings teilzunehmen, viele Meetings zu organisieren, usw. Hier ein kurzer Überblick über die Gründe:
- FOMO – fear of missing out
- Die Angst davor, Kolleg*innen verurteilen uns, wenn wir nicht dabei sind oder, schlimmer noch, sie vergessen uns und unsere Stimme im Meeting sogar
- Die Angst davor, Kolleg*innen, die die Themen betreffen könnten, nicht ins Meeting mit einzuladen. Daher wird lieber ein großer Teilnehmer*innen-Kreis gewählt
- Anwesenheit wird mit Produktivität gleichgesetzt
- Anwesenheit als Indikator für Engagement
- Egoistische Dringlichkeit
- Meine Bedürfnisse sind gerade wichtiger als die der Teilnehmer*innen (ich muss das jetzt klären), deswegen brauche ich jetzt ein Meeting mit dir
- Meetings als Mittel zur Selbstverpflichtung (weil ich sonst, außerhalb des Meetings, nicht an den Themen arbeiten werde)
- Meeting als Deadline für die Erledigung einer Aufgabe (motivierend die Aufgabe zu erledigen), das Meeting selber ist dann aber sinnlos
- Dringlichkeitseffekt
- Meetings geben das Gefühl etwas erledigt zu haben obwohl andere Aufgabe ggf. wichtiger wären
- Meeting Amnesie
- Keine*r weiß, was bereits diskutiert und vereinbart wurde
- pluralistische Ignoranz
- Ich denke das Meeting war Zeitverschwendung aber alle anderen scheinen das wohl nicht so zu sehen, deswegen spreche ich es nicht an. Dabei denkt jede*r etwas ähnliches
Was können wir tun, um diesem Teufelskreis zu entkommen?
Aufarbeitung der psychologischen Gründe
Aus meiner Sicht geht es darum zum einen den oben genannten psychologischen Gründe für zu viele Meetings entgegen zu wirken. Im Artikel werden schon einige Lösungsansätze beschrieben.
Beispielsweise sollten Organisator*innen und Führungskräfte darauf hinweisen, dass es gute Gründe gibt nicht an Meetings teilzunehmen, und dass es dennoch wichtig ist die Perspektiven in dem Meeting mit zu vertreten. Es geht in Summe auch darum respektvoll mit der Zeit der (potenziellen) Teilnehmer*innen umzugehen und dieses schließt auch mit ein zu erkennen wann ein Treffen für potenzielle Teilnehmer*innen Zeitverschwendung wäre. Gleichzeitig muss allen klar sein, dass auch (und vielleicht sogar vor allem) außerhalb von Meetings wertvolle Arbeit geleistet wird.
Außerdem wurde im Artikel erläutert, dass Meetings zwar als Deadline gut geeignet sind, aber die Durchführung dann, wenn die Deadlines eingehalten wurden, sinnlos werden. Besser wäre es, wenn die Meetings bei eingehaltenen Deadlines zur “Belohnung” abgesagt werden.
Zur Vermeidung von Meeting Amnesie können kurze Zusammenfassungen am Ende des Meetings aufgezeichnet werden. Damit mach ich persönlich bereits in einigen meiner Meetings sehr gute Erfahrungen.
Und, zu guter Letzt, ist es auch wichtig den Wert von Meetings am Ende evaluieren zu lassen. Mit einer einfachen ROTI Abfrage (Return on time invested) lassen sich hier hervorragend Trends erkennen und besprechbar machen.

Wechsel des Arbeitsmodus im Team
Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass, neben der Bearbeitung der psychologischen Gründe, es wichtig ist sich über den Arbeitsmodus der Teams zu unterhalten. Wird sich beispielsweise um die Bearbeitung des Problems ausschließlich im Meeting gekümmert, so leidet nicht nur die Qualität der Problemlösung (da ich mich nur im begrenzten Zeitraum des Meetings mit dem Problem beschäftige) als auch aus gleichem Grund die Geschwindigkeit der Problemlösung.
Ich bin vor kurzem in einem Team auf genau diesen Arbeitsmodus gestoßen. Vereinzelt wurde zwar an dem Problem auch zwischenzeitlich gearbeitet, der Großteil der Themen wurde aber im Meeting (teilweise mittels sich im Kreis drehender Endlosdiskussionen) bearbeitet. Das Resultat war ein enorm langwieriger Prozess der Problemlösung mit unzufriedenstellenden Ergebnissen.
Ich habe mit dem Team vereinbart den Arbeitsmodus zukünftig umzudrehen. Wir einigten uns also darauf, die Bearbeitung der Problemstellung zwischen den Meetings zu erledigen und das Meeting dazu zu nutzen die Ergebnisse zu synchronisieren und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Folgende Voraussetzungen mussten wir dafür schaffen:
- Das Problem musste in kleine Teile geschnitten werden, die einzeln voneinander bearbeitet werden konnten
- Die Teilprobleme mussten priorisiert werden und in eine (zu dem Zeitpunkt sinnvoll anmutende) logische Reihenfolge gebracht werden
- Die Gruppenmitglieder mussten Verantwortung für die einzelnen Aufgaben, die bis zum nächsten Meeting erledigt werden sollten, übernehmen und diese (in Kleingruppen oder alleine) in der Zwischenzeit bearbeiten
- Der Ablauf des Meetings musste umstrukturiert werden, der Fokus liegt nun auf dem Teilen des Ergebnisses, dem integrieren von Einwänden und dem abschließenden Konsent. Zusätzlich mussten die nächsten Aufgabenpakete gemäß der Priorisierung im Team verteilt werden
- Für die Organisation der Arbeitspakete wurde ein einfaches Aufgabenboard eingeführt, welches neben dem Backlog die aktiven und erledigten Aufgaben visualisierte. Im Meeting dient das Board dann als Agenda um die einzelnen Ergebnisse der Aufgaben zu besprechen
Da ich dieses Vorgehen mit der Gruppe diskutiert habe und wir uns einig waren entsprechend vorzugehen erwarte ich neben deutlich kleineren Aufgabenpaketen als bisher auch deutlich mehr Verantwortung bei den einzelnen Teammitgliedern und dadurch eine spürbar höhere Geschwindigkeit. Auch die Anzahl der Meetings sollte dadurch signifikant verringert werden können. Da zum Zeitpunkt dieses Beitrags das Vorgehen noch nicht ausreichend lange angewandt wurde, kann ich hier noch nicht mit Sicherheit bestätigen, ob meine Hypothesen zutreffen.
Fazit
- Der Meeting Wahnsinn in unseren Kalendern lässt sich z.T auf psychologische Faktoren als auch auf die Art und Weise der Zusammenarbeit in Teams zurückführen und beide Aspekte sollten beleuchtet werden
- Der respektvolle Umgang mit der Zeit der anderen dient als Grundlage für die Frage, ob es sinnvoll ist jemanden zum Meeting einzuladen oder ob man am Meeting teilnehmen sollte. Dabei ist die Arbeit außerhalb von Meetings mindestens als Gleichwertig zu stellen zur Arbeit im Meeting
- Der Wechsel des Arbeitsmodus von “Arbeit im Meeting” zu “Arbeit außerhalb des Meetings und Synchronisation im Meeting” erlaubt weniger und effizientere Meetings, schnelleres Vorankommen und mehr Verantwortung im Team
