In diesem Beitrag werde ich
- darstellen, warum Empirismus die Basis für agile Organisationsentwicklung ist.
- erläutern, wie agile Organisationsentwicklung aussehen kann.
- aufzeigen, warum evolutionäre Veränderungsprozesse den revolutionären zu bevorzugen sind.
Mein ehemaliger Chef fragte immer: “Wie isst du einen Elefanten?”. Meistens stutzten die Gefragten, bis sie die Antwort hörten: “In kleinen Scheiben!”. Dass das originale Zitat (laut google) von Desmond Tutu, einem afrikanischen Menschenrechtsaktivisten und Friedensnobelpreisträger (laut Wikipedia) stammt, war mir bis dato nicht bekannt, ist in diesem Kontext vermutlich aber auch eher irrelevant. 😊
Relevant ist hingegen die eigentliche Aussage. Große, vermeintlich unlösbare Probleme (den Verzehr eines Elefanten) löst man in Unternehmen am effektivsten indem man es in kleine Probleme (in Scheiben) teilt, und diese kleinen Probleme dann nach und nach löst.
Gleiches Prinzip gilt auch für die agile Organisationsentwicklung, wie ich euch in der folgenden Ausführung aufzeigen werde.
Die Grundlage für vernünftige Veränderungsprozesse: Empirismus
Nicht zufällig wähle ich das Wort “vernünftig” im Zusammenhang mit Veränderungsprozessen und Empirismus. Laut Duden ist das Wort Vernunft nämlich wie folgt definiert:
“Vernunft, die: Geistiges Vermögen des Menschen, Einsichten zu gewinnen, Zusammenhänge zu erkennen, etwas zu überschauen, sich ein Urteil zu bilden und sich in seinem Handeln danach zu richten”
Und genau darum geht es auch bei dem Thema des Empirismus: Auf der Basis von Einsichten (bspw. durch das Sammeln von Erkenntnissen) Zusammenhänge erkennen (Situation beschreiben), sich ein Urteil bilden (Hypothesen ableiten) und sein Handeln danach auszurichten (Experimente durchführen) um weitere Erkenntnisse zu gewinnen..
Warum ist Empirismus wichtig in Veränderungsprozessen?
Wer Veränderungsprozesse initiiert, der möchte an irgendeiner Stelle auch herausfinden, wie wirksam die Veränderungen waren. Ohne Empirismus, also das Sammeln von Erkenntnissen aus Experimenten, lässt sich nicht spezifisch ermitteln, ob der gewünschte Effekt eingetreten ist.
Gleichzeitig führen Veränderungsprozesse, ohne die Durchführung von Experimenten, zu viel Widerstand. Denn erst die Definition eines Experiments zeigen den Beteiligten den Sinn und Zweck der Aktivität auf, indem sie nachvollziehen können, wofür ein Experiment durchgeführt wird, was der gewünschte Effekt eines Experiments ist, und wie dieser Effekt ermittelt/beobachtet/gemessen werden soll. Daher sollten die folgenden Fragen vor der Durchführung eines Experiments gemeinsam definiert geklärt werden:
- Was wollen wir wie lange ausprobieren?
- Welche Hypothese wollen wir mit dem Experiment validieren, bzw. was soll besser werden?
- Woran erkennen wir, dass es besser geworden ist?
Diese Fragen lassen sich hervorragend in einem Experiment-Steckbrief festhalten. Auf der Basis des Steckbriefs lässt sich dann, nach der gemeinsam definierten Zeit des Experiments, reflektieren, ob die gewünschten Effekte eingetreten sind und ob die Hypothesen passten oder widerlegt wurden. Gemeinsam kann dann entschieden werden, ob das Experiment wie verprobt in den Alltag eingehen soll, oder ob es ein weiteres Experiment (die nächste Evolutionsstufe) mit Anpassungen benötigt.
In kleinen Experimenten wird schneller gelernt
Je kleiner die Experimente sind, desto besser können sie verprobt werden und desto schneller können Erkenntnisse gewonnen werden die wiederum in die nächsten Experimente einfließen können. So wird eine evolutionäre Entwicklung im Veränderungsprozess gefördert. Gerade in komplexen Systemen, in denen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nicht mehr eindeutig erkennbar sind, ist es daher wichtig evolutionär vorzugehen.
Veränderungsprozesse ohne Experimente resultieren somit eher in revolutionären Veränderungen, die, einmal eingeführt, in Stein gemeißelt sind (bis zur nächsten Revolution). Das erzeugt große Widerstände bei den Betroffenen, da, wie oben erwähnt, in komplexen Systemen die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nicht eindeutig sind und somit die Wirksamkeit derartiger Maßnahmen mehr als Unsicher sind und die Bereitschaft etwaige Anpassungen vorzunehmen nicht von vornherein gezeigt wird.
Daraus leitet sich somit also auch die Wichtigkeit von kontinuierlicher Verbesserung in kleinen Schritten ab.
Durch kontinuierliche Verbesserung in kleinen Schritten zum Erfolg
Evolutionäre Veränderungsprozesse sind, gerade aufgrund des oben beschriebenen geringeren Widerstands der Beteiligten, deutlich nachhaltiger in der Umsetzung als revolutionäre Veränderungen in komplexen Systemen.
Außerdem führen viele zeitgleiche Veränderungen an komplexen Systemen oft zu einem Durcheinander, welches nur sehr schwer behebbar wird. Es können gerade in komplexen Systemen nicht alle Auswirkungen vorausgedacht und beachtet werden. Und wenn dann noch viele gleichzeitige Veränderungen stattfinden, dann lassen sich auch hier die unerwünschten Effekte nicht mehr auf die konkrete eine Maßnahme zurückführen. Und schlimmer noch: Auch die positiven Effekte auf die Organisation lassen sich nicht mehr auf die einzelnen Veränderungen zurückführen. Das Ergebnis ist dann, dass der Fokus auf die Dinge liegt, die nicht funktionieren, der Grund dafür nicht eindeutig ist und somit die ganze Veränderungsmaßnahme (auch die guten Aspekte) in Frage gestellt wird.
In meinem S3 Foundation Course schreiben Lili und James dazu:
“Even when a large change is needed, go step by step figuring out how things need to be and adjust what you’re doing based on what you learn. With small changes, assumptions can be tested quickly and failure is more manageable. When a small experiment fails, you can learn fast and if necessary, use what you learn to develop a better experiment. When a large experiment fails, a lot of time and effort might be spent without learning much at all.”
Lili David & James Priest, Sociocracy 3.0 Academy, Sociocracy 3.0 Foundations Course, Sep 22
All das spricht dafür die Organisation kontinuierlich in kleinen Schritten weiterzuentwickeln statt die große Revolution anzustoßen.
Fazit
Unter agiler Organisationsentwicklung verstehe ich evolutionäre Veränderungsprozesse, welche durch Experimente Erkenntnisse gewinnen und diese in weiteren Experimenten zur kontinuierlichen Verbesserung und Weiterentwicklung einer Organisation verarbeiten.
